NVA und Grenztruppen

Einführung und Inhalte

Ziel und Inhalte der Datenbank

Die jahrzehntelang praktizierte Geheimhaltung im DDR-Militär bildete eine wesentliche Ursache dafür, daß sich für die nach 1990 beginnende historische Forschung über die NVA in Bezug auf eine Gesamtzusammenstellung und -analyse der Armeestandorte in der DDR erhebliche Lücken auftaten. Inzwischen sind zwar einige Standortverzeichnisse in Publikationen oder im Internet zu finden. Diese beschränken sich jedoch zumeist in Inhalt und Umfang entweder auf bestimmte Bereiche ( z.B. Teilstreitkräfte) oder bieten nur einen wenig detaillierten Überblick.

Mit der nun vorliegenden Datei wird der militärgeschichtlichen Forschung und der interessierten Öffentlichkeit ein wichtiges Hilfsmittel zur Verfügung gestellt.

Erstmals sollen in einer Internetdatei ausgewählte Angaben über möglichst alle in der NVA und den Grenztruppen der DDR bestehenden (selbständigen) militärischen Dienststellen (Friedensgliederung 1986/87) in kompakter Form gezielt abgerufen werden können. Die Auswahl des Zeitrahmens 1986/87 erfolgte dabei sowohl mit dem Blick auf die Quellenlage als auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich in diesem Zeitfenster der „Ist-Zustand“ des DDR-Militärs der achtziger Jahre im Wesentlichen widerspiegelte, bevor sich dann von 1988 bis 1990 weitgehende strukturelle Wandlungsprozesse vollzogen. Da eine genaue Stichtagsregelung nicht möglich war, konnten „kleinere“ Umdislozierungen von Einheiten und Dienststellen innerhalb des angegebenen Zeitraumes nicht in jedem Fall erfasst werden.

Der Nutzer erhält die Möglichkeit sich nicht nur über die Bezeichnung des Strukturelements, seine Unterstellung und den dazugehörigen Standort, sondern auch in der Regel über die genaue Anschrift und die Lage der Dienststelle im Standort, die Postfachnummer, den Tarnnamen und den verliehenen Traditionsnamen zu informieren. Die folgenden Erläuterungen sollen dazu einige zusätzliche Informationen vermitteln und zum besseren Verständnis dieser Kategorien beitragen.

Schutz militärischer Informationen in der DDR

Militärische Angaben und Informationen unterlagen in der DDR - wie auch in anderen Staaten der Welt - in der Regel der Geheimhaltung. Die „Wachsamkeit und Geheimhaltung“ in den ostdeutschen Streitkräften ging aber weit über das in westlichen Armeen übliche Maß hinaus.

Generell waren in der DDR Veröffentlichungen in Wort, Schrift, Bild und Ton über die eigene Landesverteidigung und die Armeen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, die Staats- oder Militärgeheimnisse enthielten, nicht gestattet. Unter Staatsgeheimnisse verstand man dabei offiziell Informationen, die „für die Entwicklung und Festigung der DDR und der sozialistischen Staatengemeinschaft bedeutsam sind und deren Geheimhaltung einen gesellschaftlichen Vorteil ermöglicht bzw. zur Verhinderung von Gefahren, Schäden, Störungen u.a. Nachteilen beträgt. Es sind Informationen, deren Geheimhaltung auf der Grundlage dafür geltender Rechtsvorschriften [...] bestimmt wird".

Was die Öffentlichkeit über die Nationale Volksarmee (NVA) erfahren durfte und was nicht, war in speziellen Dienstvorschriften und Ordnungen des Ministeriums für Nationale Verteidigung festgelegt. Neben der allgemeinen Geheimhaltungsdienstvorschrift (DV 010/0/009) spielte dabei die Vorschrift „Geheimnisschutz in der Militärpublizistik“ (DV 010/0/012) eine entscheidende Rolle. Sie sollte die Offenbarung von Staats- und militärischen Geheimnissen durch offene Publikationen, Massenmedien, Ausstellungen usw. verhindern und galt sowohl für die NVA als auch für die Grenztruppen der DDR und die Zivilverteidigung sowie für militärische Betriebe und Struktureinheiten.

Dislozierung und Bezeichnungen von Dienststellen

Zu den wohl behüteten militärischen Geheimnissen in der NVA zählte von Anfang an die Dislozierung (Verteilung in Standorte) der Stäbe und Truppen. Die DV 010/0/012 regelte dazu eindeutig, dass „über die Dislozierung und Umdislozierung von Verbänden, Truppenteilen usw.“ nicht berichtet werden durfte. Ausgenommen davon waren in einer besonderen Anlage aufgeführte Einrichtungen, die auch mit ihren Standorten genannt werden durften. Dazu gehörten u.a. Grenzübergangsstellen, die Armeesportklubs, Kommandanturen, kulturelle Einrichtungen wie das Armeemuseum, das Filmstudio oder die Musikkorps der NVA, militärische Lehreinrichtungen wie die Militärakademie „Friedrich Engels“, die Offizierhochschulen oder das Militärgeschichtliche Institut der DDR, militärmedizinische Einrichtungen, Objekte des Militärerholungswesens, der Seehydrographische Dienst, die Wehrkommandos, Schulen der Zivilverteidigung oder dem Verteidigungsministerium direkt unterstellte Betriebe wie der Militärverlag der DDR. Zulässig war darüber hinaus auch die Nennung der Standorte des Ministeriums für Nationale Verteidigung (Berlin oder Strausberg), der Kommandos der Teilstreitkräfte der NVA (Potsdam, Eggersdorf bei Strausberg, Rostock), des Kommandos der Grenztruppen der DDR (Pätz bei Königs Wusterhausen), der Kommandos der Militärbezirke (Leipzig, Neubrandenburg) und der Hauptverwaltung der Zivilverteidigung (Berlin). Bei den Grenztruppen waren für Truppenteile und Einheiten auch weitergehende Angaben wie „an der Elbe“ oder „im Harz“ möglich. Insgesamt verteilten sich die über 1100 „NVA-Objekte“ (Führungsorgane, Kasernen, Einrichtungen, Schulen, Wehrkommandos, Lager und Werkstätten usw. – ohne Grenztruppen) auf weit über 500 Standorte in der DDR.

Dem Geheimnisschutz unterlagen aber nicht nur die Standorte der Einheiten und Dienststellen, sondern auch die Bezeichnungen für Strukturelemente der NVA, der Grenztruppen und der Zivilverteidigung. Für die Öffentlichkeit erfolgte eine Differenzierung ausschließlich durch die Verwendung der Begriffe Verband (als Synonyme dafür durften genannt werden: Mot.Schützendivision/ Panzerdivision/ Raketenbrigade/ Luftverteidigungsdivison/ Flottille/ Grenzbrigade Küste/ Grenzkommando), Truppenteil (oder: Regiment/ selbständiges Bataillon/ selbständige Abteilung/ Fla-Raketenbrigade/ Fla-Raketenregiment/ Geschwader/ selbständiges Bataillon/ Brigade/ selbständige Abteilung/ Küstenraketenabteilung/ Schiffstammabteilung/ Grenzregiment/ Grenzausbildungsregiment sowie Einheit (oder: Bataillon/ Abteilung/ Kompanie/ Batterie/ Zug/ Gruppe/ Fliegerstaffel, Hubschrauberstaffel/ Fla-Raketenabteilung/ technische Abteilung/ Flugzeug- oder Hubschrauberbesatzung/ Fliegeringenieurdienst des Geschwaders oder einer Staffel/ Küsten- und Startbatterie/ Abteilung/ Bootsgruppe/ Schiff/ Grenzbataillon/ Grenzkompanie).

Die Nennung eines dieser Strukturelemente konnte dann mit der Nennung des Traditionsnamens (soweit vorhanden) oder des Namens des Kommandeurs verbunden werden. Beispiel: Die 9. Panzerdivision in Eggesin durfte in der Öffentlichkeit nur wie folgt genannt werden: Panzerdivison „Heinz Hoffmann“ oder „Panzerverband, Kommandeur Generalmajor Erdmann“ oder „Verband Erdmann“ (1987). Standortangaben oder andere militärische Bezeichnungen suchte man also bei den oben genannten Strukturelementen in der Regel vergebens. Die Nennung von Truppenteilen, Einheiten und Einrichtungen der NVA und der Grenztruppen, die einer besonderen Geheimhaltung unterlagen, war generell verboten. Sowohl in den Standorten selbst als auch auf zivil zugänglichen Karten fanden sich zudem keine Hinweise auf Armeeliegenschaften, Kasernen oder andere militärische Dienststellen.

Bezeichnung/Abkürzung

Neben der militärischen Bezeichnung der Führungsorgane und Truppen oder des Strukturelements wird zusätzlich die Kurzbezeichnung (siehe Abkürzungsverzeichnis) genannt, die sich in der Regel an den in der NVA und den Grenztruppen üblichen Abkürzungen orientiert.

Unterstellung
Das Unterstellungsverhältnis weist die Zugehörigkeit der Dienststelle zu einem übergeordneten Strukturelement aus.

Standort und Lage
Der Standort der Dislozierung (Stadt, Gemeinde) ist mit der damals gültigen Postleitzahl versehen. Ortsteile sind durch Bindestrich von der Gemeinde getrennt. Die Standortangabe wird zumeist durch die damalige Bezeichnung der Straße oder die nähere Lagebestimmung, wenn die Straße keinen Namen trug, ergänzt. Soweit ermittelbar, werden darüber hinaus die Hausnummern angegeben. Zur besseren geografischen Orientierung ist der Name des DDR-Bezirkes vermerkt, in dem sich der Standort der Dienststelle befand. (siehe DDR-Karte mit administrativ-territorialer Gliederung)

Postfachnummer
Die fünfstellige Postfachnummer hatte die Funktion, die Führungsorgane und Truppen gedeckt zu bezeichnen. Sie galt im Postverkehr neben der Ortsangabe als offizielle Adresse (Anschrift) der Dienststelle.

Tarnname
Da es im DDR-Militär verboten war, Bezeichnungen und Dienststellungen sowie vertrauliche und geheime Informationen offen zu übertragen, wurden auch für den Fernsprech- und Fernschreibbetrieb innerhalb der Armee spezielle, zum Teil kuriose Fernsprech- und Fernschreibnamen, sogenannte Tarnnamen, vergeben. So hatte beispielsweise das Artillerieregiment 1 „Rudolf Gyptner“ in Lehnitz den Tarnnamen „Dachbalken“ und die Disziplinareinheit 2 in Schwedt den Namen „Teekessel“. Für „offene“ Dienststellen (siehe oben) wie zum Beispiel das Militärgeschichtliche Institut der DDR in Potsdam gab es keine spezielle Tarnamen. Hier lautete der Fernschreibname nur „milgesch inst.“.

Traditionsname
Die Vergabe von Traditionsnamen ( „Ehrennamen“) an militärische Einheiten und Einrichtungen sowie die damit verbundene Erziehung der Armeeangehörigen am Beispiel historischer Vorbilder war spätestens seit Mitte der sechziger Jahre fester Bestandteil der Traditionspflege in der NVA und den Grenztruppen. Traditionsnamen konnten auf Befehl des Ministers für Nationale Verteidigung an Verbände, Truppenteile, Lehreinrichtungen, Kampfschiffe und Institutionen sowie an Kasernen verliehen werden. Es handelte sich dabei um die Namen von „Führern und hervorragenden Kämpfern“ der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung, von „Patrioten der deutschen Geschichte sowie von Persönlichkeiten des sozialistischen Aufbaus der DDR und ihrer bewaffneten Organe“. Zwar diente die Vergabe von Traditionsnamen in erster Linie der politisch-ideologischen Erziehung, sie hatte freilich den „Nebeneffekt“, die bisher „namenlosen“ militärischen Formationen auch besser in der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Bis Mitte der sechziger Jahre waren bereits an einzelne militärische Einrichtungen solche Namen verliehen worden, wie beispielsweise an die Militärakademie in Dresden, die seit 1959 den Namen „Friedrich Engels“ trug. Seit 1966 bestimmte dann die „Ordnung über die Verleihung von Namen an Verbände, Truppenteile, Schulen und Kasernen der Nationalen Volksarmee sowie an Schiffe und Boote der Volksmarine“ das Prozedere der Verleihung der so genannten Traditions- oder Ehrennamen in den Streitkräften. Die darin getroffenen Festlegungen wurden in den späteren Traditionspflegeordnungen der NVA präzisiert. So ging man u.a. bald von der ursprünglichen Praxis ab, Traditionsnamen an Kasernen zu verleihen. Insgesamt wurden bis 1987/88 an über 320 Verbände, Truppenteile, Einheiten, Schulen und andere Einrichtungen der NVA, der Grenztruppen und der Zivilverteidigung Traditionsnamen verliehen.

Die Quellengrundlage der NVA-Standortdatenbank

Die Datenbank beruht im Wesentlichen auf der Auswertung einer Reihe von Archivdokumenten aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv (BA-MA) Freiburg sowie aus den Beständen der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes (BStU), Berlin. Als wichtigste Materialien seien hier hervorgehoben: das „Alphabetische Dienststellenverzeichnis der NVA und der Grenztruppen der DDR“ vom 1. Juli 1987 sowie die Übersichten zur „Struktur des Ministeriums für Nationale Verteidigung und der zentral unterstellten Truppenteile, Einheiten und Einrichtungen, des Kommandos Landstreitkräfte mit den Militärbezirken III und V, des Kommandos Luftstreitkräfte/Luftverteidigung mit der 1. LVD und 3. LVD, des Kommandos der Volksmarine mit der 1., 4. und 6. Flottille und der 6. Grenzbrigade Küste sowie des Kommandos Grenztruppen mit den Grenzkommandos Nord, Mitte und Süd“ der Jahre 1985 bis 1987. Hinzugezogen wurden zudem Dislozierungsnachweise, Fernwahlverzeichnisse, Aufstellungen der Traditionsnamen, Chroniken und andere Verzeichnisse der NVA und der Grenztruppen der DDR. Eine unverzichtbare Grundlage der Datei bildeten die von Joachim Roller, Torgelow, in mühsamer Kleinarbeit zusammengestellten Standort- und Dienststellenverzeichnisse der NVA. Weitere Informationen wurden aus einschlägigen Publikationen sowie aus zahlreichen Spezialstudien, Beiträgen und Zeitschriftenartikeln entnommen. Eine wichtige Hilfe bildeten darüber hinaus im Internet abrufbare Gliederungs- und Strukturaufstellungen verschiedener Teilstreitkräfte, Waffengattungen, Verbände und Truppenteile der NVA und der Grenztruppen der DDR.

Barbara Fritzmann (Fachhochschule Potsdam) leistete als Praktikantin am MGFA grundlegende Vorarbeiten für die Erfassung der Daten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesarchiv-Militärarchivs in Freiburg und der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) in Berlin unterstützten die Projektrecherche.

Ergänzung der Datenbank

Die Datenbank in der jetzigen Form stellt einen ersten Versuch dar, der Öffentlichkeit ein nahezu komplettes Dienststellenverzeichnis des DDR-Militärs zur raschen und unkomplizierten Nutzung zur Verfügung zu stellen. Die Projektmitarbeiter haben sich bei der Zusammenstellung der Daten um größtmögliche Vollständigkeit bemüht. Dennoch gelang es aufgrund der schwierigen Quellenlage bisher nicht in allen Fällen, die notwendigen Angaben zu recherchieren. Wir bitten dafür um Verständnis.

Die Datenbank wird fortlaufend weiter optimiert. Langfristiges Ziel des Projekts ist es, Entwicklungen in einzelnen Standorten über einen Zeitraum von rund vierzig Jahren darzustellen. Damit soll es möglich werden, sowohl die Veränderungen in der militärischen Struktur als auch die Entwicklung des Militärs in einem Standort, d.h. von der Erstaufstellung einer Dienststelle in den fünfziger Jahren bis zur Auflösung der Einheiten im Jahr 1990, nachzuvollziehen. Ergänzungen, Anregungen, Hinweise und Kritiken dazu sowie zu allen inhaltlichen Fragen sind willkommen und werden dankend entgegengenommen. Bitte nutzen Sie unser Kontaktformular.
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